Beginn der zweiten Grippen-Welle
Am 24.09.1918 kam die erste Meldung, dass in Spanien eine Grippe- und Fieberepidemie ausgebrochen sei. Ein Tag später wurde berichtet, dass es in Frankreich zu Erkrankungen und Toten kam. Knapp zwei Wochen später kam eine Meldung, die Grippe sei in Berlin aufgetreten, aber scheinbar nicht gefährlich. Zwei weitere Tage später am 11.10.1918 musste die Zeitung verkünden, dass sich die Grippe stark ausgedehnt hätte. Außerdem verlief die Krankheit im Gegensatz zur ersten Welle öfters schwer und tödlich. Besonders jüngere Menschen wären betroffen. In der Ausgabe vom 12. Oktober berichtete der Vorwärts, dass sämtliche Groß-Berliner Krankenhäuser überfüllt sein.
An dieser Stelle kommt ein kleiner informeller Einschub. Wenn wir dieses Jahr das 100-jährige Jubiläum der Gründung von Berlin erinnern bzw. feiern, so muss es einem bewusst sein, dass es einen langjährigen vorausgegangenen Prozess gab. In dem Zusammenhang betrachtete man das Gebiet des späteren Berlins als Groß-Berlin bei gleichzeitiger Selbstständigkeit der Ortschaften.
Ab dem 13. Oktober wurden Zahlen der Erkrankungen und Todesfälle in Berlin veröffentlicht (Anhang 3). Diese Berichterstattung des Vorwärts unterscheidet sich von der Berichterstattung der Vossischen Zeitung. Die veröffentlichten Zahlen entstammen den Krankmeldungen bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK Stadt Berlin). Die Vossische Zeitung berichtete über mehr Einzelfälle. Beispielsweise wurde der Tod zweier Opernsänger (12.10.1918) veröffentlicht, der Sohn des Staatssekretärs Erzberger (17.10.1918) oder die 22 jährige Tochter des Statthalters von Elsaß-Lothringen (19.10.1918). Die Meldung der AOK-registrierten Krankheitsfälle stand weniger im Vordergrund. Zumeist wurde Nennung der Zahlen in Verbindung weiterer Meldung zusammengeschrieben.
Auffällig ist, dass die genannten Zahlen in einigen Fällen widersprüchlich waren. Die Abweichungen betrafen die beiden Zeitungen zueinander, als auch innerhalb des Vorwärts. Erklärbar ist die Abweichung durch den Umstand, dass die AOK selbst keine exakten Zahlen geliefert hat. Da die Daten per Hand in den unterschiedlichen Geschäftsstellen zusammengetragen wurden, ist es leicht denkbar, dass eine am Morgen genannte Zahl am Abend durch Zu- oder Abgänge sich änderten. Übertragungsfehler und Zahlendreher sind ebenfalls in Betracht zu ziehen. Da diese Zahlen nur die Spitze des Eisberges darstellen, ist diese Ungenauigkeit nicht bedeutsam. In den gemachten Zahlen sind nur die Fälle erfasst, bei denen die Kranken bei der AOK versichert waren. Fälle bleiben ohne Berücksichtigung, die entweder gar nicht zum Arzt gingen, in einer anderen Krankenversicherung gemeldet waren oder gar nicht als Grippe diagnostiziert wurden. Die Zahlen geben aber einen kleinen Eindruck, wie explosionsartig die Infizierung von statten ging.