Garnisonfriedhof – Friedhofscluster

Erinnern oder Vergessen?

Weshalb es nun exakt dieses Massengrab war, der in Erinnerung blieb, wird uns wahrscheinlich für immer verschlossen bleiben. Es bleiben nur Spekulationen als Begründung. Es stellt sich sogar die Frage, weshalb überhaupt ein Erinnerungsort entstand.

Als Vorüberlegung steht die Frage im Raum, ob die von Clauswitz überlieferten Orte (zwei an der Hasenheide, einmal vor dem Schlesischen Tor, einmal vor dem Halleschen Tor und einmal bei den Pulvertürmen) generell in Frage kommen. Anhand einiger allgemein gültiger Kriterien lässt sich die Frage beantworten. So ist Lage oder Beschaffenheit des Begräbnisortes von Bedeutung. Als wichtige Kriterien sind Erreichbarkeit, eine gewisse Abgeschiedenheit und die Bodenverhältnisse zu nennen. All dies war gegeben. Darüber hinaus ist Clauswitz als Stadtarchivar, der sich um den Aufbau eines fundierten Archivwesen verdient gemacht hat, eine seriöse Quelle. Ihm standen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Archivalien zur Verfügung, die nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ein grundsätzlicher Aspekt für die Entstehung eines Gedenkortes ist die inhaltliche Besetzung des Ortes mit einem Erinnerungsgrund. In unserem Fall liegt der in Form der realen Begräbnisstelle vor. Weiterhin muss Interesse und der Wille an eine Erinnerung vorhanden sein. Auch dies war gegeben. Wenn auch nur minimale Geldmittel zur Verfügung gestellt wurden, so wurde ein Graben mit Heckenbepflanzung um den Platz angelegt. Gleichzeitig wurde der Forstaufseher Christoph beauftragt, den Platz zu pflegen.

Schließlich und endlich bedarf es der steten Konfrontation mit den gedenkwürdigen Ereignissen. Die stete Erinnerung durch Weiterführung der Wohltätigkeitsvereine, die den Opfern nach dem Krieg weiterhin Hilfe boten, oder die mentale Aufarbeitungen durch literale Werke über diese Ereignisse oder Veteranenvereine, die das Erlebte immer wieder thematisierten. Auch die notwendigen Pflegearbeiten, die durch sich immer wiederholenden Manöverschäden führten, boten Gesprächsstoff. Dies alles lies den Wunsch nach einem Gedenkort nicht verstummen.

Den Voraussetzungen eines Gedenkortes, stehen häufig Kräfte entgegen. Beispielsweise, dass der Ort ungünstig erreichbar ist. Die Beschaffenheit des Platzes ist für Gedenkfeiern zu klein. Auch die Besitzverhältnisse spielen eine Rolle. Politische Entscheider und Gegenkräfte arbeiten dagegen. Ebenso müssen finanzielle Mittel vorhanden sein. Besonders die zuletzt genannten Aspekte werden eine große Rolle gespielt haben, weshalb die Entstehung eines Gedenkortes sich über Jahrzehnte verzögert hat. Besonders das schnelle Wiedererstarken des Adels mit Stärkung der Monarchie ist ein gewichtiger Kontrapunkt. Ein Massengrab als Gedenkort hätte die Anerkennung des bürgerlichen Anteils an der Befreiung von der französischen Besetzung[i] bedeutet. Dieser Zusammenhang wird plausibel, wenn man bedenkt, wann der Gedenkplatz eingerichtet wurde. In die 40ziger Jahre des 19. Jhr., in den Jahren vor der bürgerlichen Revolution 1848 wurde die Herrichtung realisiert. Dies geschah in einer Zeit, in der das Bürgertum stärker und selbstbewusster auftrat.

Um jetzt der Frage nachzugehen, weshalb die Hasenheide der Erinnerungsort wurde, kann angenommen werden, dass alle andere Orte durch die voranschreitende Besiedlung nicht zur Verfügung stand. Der Ort an den Pulvertürmen ist sehr speziell. Mit seiner militärischen und gefährlichen Umgebung, wird ein solcher Gedenkort schwer durchzusetzen gewesen sein. Einzig der Platz in der Hasenheide zum Übergang zum Tempelhofer Feld lag abseits genug. Und trotzdem war der Platz gut zugänglich. Es lag kein Siedlungsdruck auf dem Gelände und es stand zur Verfügung. Es war immer Schauplatz von Manövern und Paraden. Die Hasenheide, genauer die „Schlächter-Hütung“[ii], entwickelte sich zum Vergnügungsort der Berliner. Das Gebiet besaß eine ambivalente Mischung aus Publikumsverkehr mit Bekanntheitsgrad und gleichzeitig einer gewisse Abgeschiedenheit.

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